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Was bringt die Liberalisierung

9. Oktober 2014

Wie Bundesrätin Doris Leuthard verkündet, soll die Liberalisierung 2018 endlich auch für die Privatkunden gelten, sofern kein Referendum ergriffen wird. myNewEnergy begrüsst die Liberalisierung, da die Privatkunden dann erstmals die volle Wahlfreiheit haben. Die Auswirkung auf die Preise und Energiewende dürften allerdings gering sein, da andere Einflüsse viel stärker wirken. Aber auch ohne Liberalisierung haben die Konsumenten bereits Handlungsoptionen. 

Gestern wurde der geplante Termin der Liberalisierung verkündet und fand grosses Interesse in der Presse. Anders als in den meisten Nachbarländern setzt die Schweiz diese gleichzeitig mit einer beginnenden Energiewende um. Beide Entwicklungen beeinflussen die Konsumentenpreise, es ist daher interessant zu betrachten, wie die beiden Vorhaben sich auswirken und beeinflussen. Für die Energiewende ist es geplant neue erneuerbare Energien aufzubauen und erst dann die Atomkraftwerke abzustellen, damit nicht Strom von ausländischen, Schadstoffe und CO2 produzierenden Kohlekraftwerken oder AKW genutzt werden muss, wie im Moment in Deutschland und Japan. In vielen Nachbarländern findet der Ausbau bereits zügig statt und führt zu einer Stromschwemme anstatt einer Stromlücke. Das hat starken Einfluss auf das Geschäftsmodell der Schweizer Stromunternehmen, die bis zum vorletzten Jahr gut verdienten, einerseits durch den Stromhandel mit teurem Pumpstrom zur Mittagszeit, andererseits durch den Verkauf von Wasserzertifikaten ins Ausland. Vor allem durch den Ausbau der Photovoltaik und die Offenlegung der Stromherkunft, brachen die Gewinne im letzten Jahr stark ein und könnten durch eine Ablehnung der Liberalisierung und einem daraus folgenden Ausschluss aus dem EU-Markt, komplett wegfallen.

Marktmechanismen verlangsamen die Energiewende

Die folgende Betrachtung macht klar, dass Marktmechanismen für die Energiewende eher hinderlich sind. In der Übergangsphase von der fossilen in die erneuerbare Welt müssen grosse, alte Kraftwerke ersetzt werden, die nicht graduell abgeschaltet werden können. Deshalb muss aufgrund der Versorgungssicherheit erst der gesamte zu ersetzende Strom zusätzlich hergestellt werden können. Da die zusätzlichen Produktionskapazitäten in der Übergangszeit schon produzieren, gibt es also zu viel Strom im Markt. Die dadurch sinkenden Preise senken den Gewinn und wodurch weniger Kapital für weitere Investitionen vorhanden ist. Ein zügiger Umbau ist aber dringend nötig, um dem Klimawandel wirklich ernsthaft zu begegnen und hat auch sonst viele Vorteile, z.B. inländische Wertschöpfung, weniger Schadstoffe, weniger Abhängigkeit von instabilen Ländern. Neben der Liberalisierung werden verschiedene Lösungen diskutiert. Ein ausreichend hoher Preis auf CO2 und der Versorgungssicherheit könnte den Markt spielen lassen. Oder man legt den Ausbaupfad und die Rahmenbedingungen fest und ignoriert für die Übergangszeit den Markt. Es gibt genug Beispiele für die zweite Massnahme, z.B. ist es schlichtweg verboten Abwasser in Gewässer einzuleiten, selbst wenn man einen hohen Preis zu zahlen bereit wäre.

Einflussmöglichkeiten der Konsumenten

Was können Konsumenten tun, bis Politik und Wirtschaft für dieses Dilemma Lösungen gefunden haben? Der Energiemarkt ist - mit oder ohne - Liberalisierung kein echter Markt, denn auch im bereits liberalisierten Ausland werden die gleichen Diskussionen geführt. Für den Konsumenten hat die Liberalisierung aber trotzdem Vorteile. Diese liegen weniger beim Preis, wie man an den meist höheren Preisen im umliegenden Ausland sieht, sondern vielmehr in der Wahlfreiheit der Stromprodukte. Die Schweiz ist eingebunden in das europäische System der Herkunftsnachweise (HKN), welche belegen, dass eine bestimmte Strommenge von einem bestimmten Kraftwerk produziert wurde. HKN können gehandelt werden und werden von Energieversorgern benötigt, um gegenüber den Verbrauchern eine bestimmte Stromqualität nachweisen zu können. Strom besteht also aus zwei Bestandteilen, erstens dem physischen Strom der in das Stromnetz eingespeist wird und zweitens aus dem Nachweis, wie und wo dieser Strom hergestellt wurde. Erst mit der Liberalisierung sind Konsumenten frei, das gesamte Stromprodukt, also HKN und physischen Strom bei einem beliebigen Anbieter zu wählen, z.B. bei einem Unternehmen, welches ausschliesslich in neue erneuerbare Energie investiert.

Auch vor der Liberalisierung ist ein Wechsel möglich

Aber auch jetzt, vor der Liberalisierung, können die Konsumenten schon die HKN frei wählen. Man kann entweder beim lokalen Anbieter ein besseres Produkt aus neuen erneuerbaren Energien beziehen oder grüne HKN bei einem anderen Anbieter kaufen und beim eigenen Anbieter in das günstigste Produkt wechseln. Das empfiehlt sich vor allem, wenn der eigene Anbieten keine guten oder zu teure Produkte anbietet. Hausbesitzer haben noch eine dritte Option, nämlich in eine eigene Solaranlage zu investieren. Die Energiewende wird durch alle drei Aktionen vorangetrieben.

So ein Produktwechsel ist ganz einfach und kann z.B. auf myNewEnergy.ch, dem Stromvergleich durchgeführt werden. Um die Konsumenten bei der Entscheidung für das passende Stromprodukt zu unterstützen, hat myNewEnergy zusammen mit einem Expertengremium die Produkte nach einem standardisierten Verfahren bewertet, so dass Preis / Leistung sichtbar wird. Dabei fliesst auch das Energiewendepotential der Produkte in die Note ein, also die Möglichkeit für einen Ausbau in der Schweiz. Deshalb kann z.B. die kaum noch ausbaubare Wasserkraft nicht die Note sehr gut erhalten. Durch den Kauf von Solar-HKN wird dagegen ein Ausbau bewirkt. Solarstrom HKN sind im letzten Jahr stark im Preis gesunken, so dass die Umstellung für den Haushalt nur wenig mehr kostet als ein Kinobesuch pro Monat. So kann auch schon vor der Liberalisierung jeder seine Energiewende zuhause vollziehen und damit deutlich schneller handeln, als Politik und Wirtschaft uns vormachen.

von Christina Marchand

Geschäftsleiterin myNewEnergy

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