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Zu wenig Grün, zu viel Gelb und Rot

25. November 2021

Die «Stromlandschaft Schweiz» zeigt die Schwächen des Schweizer Standardstroms auf. Das Projekt will Transparenz schaffen und Stromversorger dazu bewegen, ihren Strommix klimafreundlich auszurichten.

 

Die Stromlandschaft Schweiz ist eine gesamtschweizerische Bestandesaufnahme, die aufzeigt, wie die Standard-Stromprodukte in unserem Land zusammengesetzt sind. Auf der interaktiven Karte unter stromlandschaft.ch können private KonsumentInnen für ihre Postleitzahl die Qualität des Standardstroms ihres lokalen Anbieters anhand der Farbe sehen. Derzeit bildet die  Stromlandschaft die Standardprodukte von rund 300 Anbietern ab. 

 

Schon heute besteht der Schweizer Standard grösstenteils aus Wasserkraft - gelbe Flächen auf der Karte. Um den bis 2035 wegfallenden Atomstrom zu ersetzen, müssen rasch neue erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraft ausgebaut werden, die bestehende Wasserkraft reicht nicht aus. «Anhand der Stromkarte wollen wir aufzeigen, wo die Stromwende auf Kurs ist und wo sie an Tempo zulegen muss» erklärt dazu myNewEnergy-Geschäftsleiterin Christina Marchand. 

 

myNewEnergy führt aktuell eine Umfrage mit Stromversorgern durch. «Anhand dieser Arbeit sollen gemeinsam mit Anbietern grundlegende Strategien erarbeitet werden, wie die Transformation der Stromversorgung gelingen kann» erklärt Projektleiterin Beatrice Jäggi. Ein umfassender Bericht soll bis Ende 2022 aktuelle Trends zum Wandel in der Stromlandschaft aufzeigen. Beim Schweizer Standard kann allgemein eine Aufwertung festgestellt werden. Doch insbesondere der Ausbau der Solarenergie geschieht nur in kleinen Schritten. Gemäss einer aktuellen Auswertung von myNewEnergy liegt der durchschnittliche Solaranteil von 211 untersuchten Stromversorgern lediglich bei 1.85 Prozent.

 

Rot wird Gelb: Atom- weicht Wasserstrom

2021 sind bereits mehrere rote Flecken von der Stromkarte verschwunden. So heisst in St. Moritz der Standard heute «Blue Power». Zuvor wurden Privatkunden zu 100 Prozent mit Atomstrom versorgt. Diesen Übergang von Kernenergie zu Wasserkraft begründet die St. Moritz Energie mit den Vorgaben des «Energiestadt»-Labels. 2022 erhält die Oberengadiner Gemeinde mit 5 Prozent Solarstrom ein weiteres Upgrade im Standard. Die Schaffhausener SH Power ersetzt 2022 das langjährige Basisprodukt «Egalstrom» durch «Wasserstrom Schweiz». Wem in Schaffhausen die Energiewende weiterhin egal ist, muss fortan aktiv zum Atomstrom wechseln. Qualitative Aufwertung verspricht auch das Regionalwerk Baden: Ab 2022 wird der Standard mit einem Viertel Atomstrom zum reinen Wasser-Produkt. 

 

Aargauer Scheckenmuster

In der Stromkarte finden sich auch Regionen mit auffallender Heterogenität bei der Stromqualität. Besonders markant präsentiert sich dieses Scheckenmuster im Kanton Aargau. Rot, Gelb und Grün wechseln hier bei fast jeder Gemeindegrenze. Grün ist ausnahmslos der AEW zuzuschreiben. Mit 15% «naturemade»-zertifizierten Solarstrom, bietet sie den KundInnen schweizweit einer der höchsten Solar-Anteile an. Wie die Geschäftsleitung sagt, orientiert sich die AEW an technologischen Trends und den Marktentwicklungen: «Und wir leisten einen aktiven Beitrag zur Energiestrategie 2050.» 

 

Ebenfalls ist der Kanton mit roten Gebieten durchsät. Dahinter stecken zumeist Gemeindewerke, welche dem Standard hauptsächlich Kernenergie beimischen, wie beispielsweise die Gemeindewerke Villmergen, deren Basisstrom zu 100 Prozent aus Atomstrom besteht. Auch bei der ibw in Wohlen verzichtet man darauf, den Kunden in der Grundversorgung ein teureres Produkt als Standard zuzuteilen: «Bei einer aktiven Wahl von Ökostrom machen sich die Leute viel mehr Gedanken über Nachhaltigkeit. Und vor allem mindern wir die Gefahr, dass die Kunden später wieder abspringen», sagt die Geschäftsleitung der IBW Energie AG. Dank gezieltem Marketing erreiche die ibw beim Upgrade-Produkt «ibw-Ökostrom» bereits 21 Prozent der gesamten Absatzmenge. Bis 2030 wolle man, so die IBW weiter, sogar einen Anteil von 30 Prozent am gesamten Strommix erreichen.

 

Atomstrom ist nur unbedeutend billiger als Wasserstrom

Der Preis ist ein oft gehörtes Argument, warum Stromversorger ihren Kunden bis zu 100 Prozent Atomstrom als Standard verkaufen. Tatsächlich ist der Unterschied pro kWh zu Wasserstrom minimal. Kunden der Gemeindewerke Villmergen bezahlen für Wasserstrom einen Aufpreis von 0.6 Rappen. Für eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Verbrauch von 3470 kWh ergibt dies Mehrkosten auf die Stromrechnung von rund 22 Franken in Jahr. Wer in Wohlen zum «naturemade Star»-zertifizierten iwb-Ökostrom mit einem Solaranteil von 30 Prozent wechselt, bezahlt einen jährlichen Aufpreis von rund 76 Franken. 

 

Es geht auch in Grün

Erfreulicherweise bieten schon heute einige Stromversorger Standardprodukte mit einem zweistelligen Prozentbereich an neuen Erneuerbaren Energie wie Solar- oder Windkraft an. Spitzenreiterin in Sachen Solarstrom ist die Energie Opfikon AG mit einem Anteil von 25%. «Unser Ziel war nie der höchste Solaranteil, sondern für einen guten Preis möglichst viel davon in den Standard zu packen.» Mit 20 Prozent ebenfalls einer der höchsten Solaranteile kann die Localnet AG in Burgdorf vorweisen. Vorbildlich präsentieren sich die Liechtensteinischen Kraftwerke LKW: Sie beliefern Privathaushalte seit 2021 standardmäßig zu 17% mit Strom aus PV-Anlagen, den sie per Einspeisevergütung dem Mix beimischen. Zudem rühmt sich das Fürstentum als Solarweltmeister: «Wir haben die höchste installierte PV-Leistung pro Kopf.» Atomstrom, vor einem Jahr noch Standard, ist heute ein Auslaufmodell und wird noch von 15 % der Kunden bezogen.

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